Herrin der Ringe - Eine wahre Geschichte der Vogelwarte

Herrin der Ringe

Für Ferien am Sempachersee fliegen einige um die halbe Welt. Vor allem im Winter ist er ein beliebtes Reiseziel für Wasservögel aller Art. Da kommen Kormorane aus den Niederlanden und Dänemark, Tafelenten aus der Ukraine oder Gänsesäger aus Finnland und Schweden. Viele von ihnen hat der Berufsfischer Josef Hofer als freiwilliger Mitarbeiter der Vogelwarte persönlich kennengelernt.

Mit einer selbst gebauten Reuse hat er seit 1950 rund 70’000 Wasservögel gefangen und beringt. So verlassen viele Wintergäste den Sempachersee mit einem Souvenir aus Metall am Bein. Darauf steht «Sempach Helvetia» und eine Identifikationsnummer. Die meisten Ringe werden nie gefunden. Aber jedes Jahr schaffen es einige Tausend per Post zurück nach Sempach. So werden die Flugwege, Distanzen und die internationalen Verbindungen dokumentiert. Unter den Gästen sind Reiherenten besonders zahlreich. 27’500 wurden beringt. Die 2’300 Ringfunde stammen aus drei Kontinenten. Viele der Sempacher Wintergäste ziehen weiter ans Mittelmeer oder sogar bis nach Senegal in Westafrika, 4’100 km von Sempach entfernt. Das Herkunftsgebiet, in das die Reiherenten zum Brüten zurückkehren, erstreckt sich von Mittel­europa bis Nordskandinavien und quer durch Russland bis nach Sibirien.

Rekordhalterin ist ein Reiherenten-Weibchen, das im Dezember 1978 den Ring «Sempach Helvetia Z31061» erhielt. Zwei Jahre später wurde es in Ytyk-Kel in Ostsibirien erlegt, 8’101 km vom ­Sempachersee entfernt.

Die Schweizerische Vogelwarte wurde 1924 von der Schweizerischen Gesellschaft für Vogelkunde und Vogelschutz primär als Beringungszentrale gegründet, denn das Hauptinteresse galt der Vogelzug-Forschung. Sempach wurde zum Sitz der neuen Vogelwarte, da der erste Leiter, Alfred Schifferli sen., in seinem Wohnhaus im Dreiangel Räume zur Verfügung stellte. Die ganze Familie unterstützte ihn bei seiner Arbeit. Handgeschriebene Briefe mit kunstvollen Marken aus Mali oder Senegal erreichten die Vogelwarte, einzig mit «Sempach Helvetia» als Anschrift. Noch heute genügt die Ringaufschrift als Adresse. So tragen beringte Vögel den Namen Sempach in die Welt hinaus. Aus der Beringungszentrale wurde ein international anerkanntes Institut, das sich für die Er­forschung und den Schutz wildlebender Vögel einsetzt.