Die Karten polterten mit rauer Hand auf den Tisch. Mit einem lauten Schnaufen lehnte sich der Wagner von Sempach in seinem Stuhl zurück und schaute zufrieden in die Runde. Endlich schien sich das Blatt zu seinen Gunsten zu wenden. Schon den ganzen Abend war er mit dem Grossknecht von Kirchbühl, dem Krämer und dem Sattler von Sempach am Jassen. Und noch nie hatte er ein Blatt in den Fingern gehabt, das es ihm erlaubt hätte, gross aufzuspielen. Bis jetzt! «Da seht ihr. Wenn ihr mir ein anständiges Blatt gebt, kann ich es auch!»

Er nahm einen grossen Schluck Wein. Bereits drei geschlagene Stunden sassen die vier in der Pinte und spielten um grosse Einsätze. Der ­Wagner hatte schon mehr als einen Lohnteil verloren, doch er konnte nicht aufhören. Das Spielfieber hatte ihn gepackt. Ach, jetzt nur nicht an zuhause denken, an Frau und Kinder, die das verspielte Geld so nötig ­gehabt hätten. Aber die würden dann schon Augen machen, wenn er mit einem ganzen Beutel voll Geld nach Hause käme! Die Karten wurden neu ausgeteilt und die Einsätze gemacht. Nur hatte der Wagner längst kein Geld mehr und bei allen Mitspielern hohe Schulden. Doch aufzugeben war er nicht gewillt. Nicht jetzt, wo sich das Blatt scheinbar gewendet hatte und der grosse Gewinn kommen musste. «Mein Karren soll als Pfand gelten», sprach er. Doch seine Mitspieler schüttelten den Kopf. Was sollten sie denn mit diesem alten Gefährt.

Da stiess ihn der Krämer, der auch sonst sein Nachbar war, in die Seite. «Du könntest um ein Zimmer deines Hauses spielen. Wenn ich gewinne, breche ich die Wand durch und habe so mehr Platz. Gewinnst du, bekommst du alles Geld zurück und bist uns nichts mehr schuldig. Einverstanden?» Er streckte dem Wagner die Hand hin und nickte ihm aufmunternd zu: «Komm, schlag ein.» Dem Wagner schwindelte es. Einen Teil des Hauses aufs Spiel setzen? Was würde seine Frau dazu sagen? Schon jetzt jammerte sie über den wenigen Platz. Doch könnte er mit seinem Spiel alle Schulden auslöschen. Nur noch dieses eine Mal. Dann würde für immer Schluss sein mit der unseligen Spielerei! Schnell schlug er ein, bevor er seinen Entschluss bereuen konnte. Doch auch dieses Mal blieb das Glück nicht auf seiner Seite. Punkt für Punkt musste er abgeben, ein Spiel nach dem anderen ging verloren. Schon bald war alles verspielt und das Zimmer gehörte seinem Nachbarn.

Er schwor bei allen Heiligen, diese verfluchten Karten nie mehr in die Hände zu nehmen. Und so war es. Von diesem Tag an war der Wagner vom Spielfieber geheilt. Doch das Zimmer gehörte dem Nachbarn. Noch heute sieht man in der oberen Häuserzeile der Stadtstrasse, wie die Fassade des einen Hauses ein Fenster im Nachbarhaus einbezieht. Die Pinte wurde später zum «Winkelried» und heisst heute «Bierhaus». In Wahrheit aber ist das Übergreifen von Zimmern in die Nachbarhäuser eine Folge des Zubauens der schmalen Gassen (Ehgraben), die zwischen den Häusern bestanden hatten.